kapitel presse
button_bibliographie
button_leseprobe
button_hoerprobe
kapitel presse

Von weit her – Nicht-Angriffspakt mit dem Leben
Von Thomas Fröhlich
(in: Etcerera; www.litges.at; November 2007)

„Im Kopfhörer die erste CD von Madrugada, als ich mich auf den Weg mache…“
So beginnt die Geschichte „Dienstag, 31. 12. 2002“. Und gibt auch gleich ein wenig die Grundstimmung dessen vor, was auf die pt. Leserschaft hier zukommt: Wer hemmungslos ausgelebten forcierten Frohsinn schätzt, darf sich die Lektüre von Helga Laugschs „Von weit her und andere Erzählungen“ im Grunde von vornherein schenken. Melancholisch, anrührend, zum Teil todtraurig (aber nie in aufgesetzter Tristesse badend) – so lassen sich die in diesem Buch gesammelte Erzählungen umschreiben. Es handelt sich um Einträge der letzten 15 Jahre, die Helga Laugsch hier gleichsam als literarisches Kaleidoskop präsentiert – mit einem roten Faden, der zwischen Biografischem, Fiktivem, Hoffnung, Enttäuschung, Aufbegehren, Resignieren und dem Akzeptieren des Unerwarteten hin und her mäandert … und nicht zuletzt auch zwischen Mensch und Tier, oder besser: zwischen Frau und Katze. Letztere dürfte überhaupt die von Helga Laugsch favorisierte Tierspezies darstellen.

„Jetzt, wo alles langsamer und kühler wird, steigen manchmal Bilder hoch, wie unbekannte, träge Fliegen und Vögel, die mich nicht mehr reizen, schon lange nicht mehr…“ Diese Passage aus der Erzählung „Zwei Leben“ legt die Autorin einer Erzählerin in den Mund, deren Identität wir erst langsam kennen lernen – und die wächst Ihnen garantiert ans Herz, was die folgende Tragik umso schwerer wiegen lässt. Überhaupt ist Helga Laugsch eine Meisterin im Beschreiben von Trauer und Schmerz: Und gerade ihr leiser Humor entfaltet in Verbindung mit dem zuvor Genannten eine Wirkung, der man sich nicht entziehen kann. Ob es sich nun um die Geschichte einer (möglichen) Attentäterin handelt oder um die einer Alkoholikerin an ihrem „freien Wochenende“, ob um eine Vortragsreisende, die einen jungen Musiker trifft (überhaupt ist Musik, von obgenannten Madrugada bis Janis Joplin in Helga Laugschs literarischer Welt überaus präsent), oder um eine Professorengattin und ihre verspäteten Rache an ihrem Ehemann – genauso nah wie Möglichkeiten neben Unerfüllbarem stehen, so liegen Lächeln und Weinen bei Helga Laugsch nebeneinander, mitunter nicht einmal durch einen Halbschatten getrennt.

Helga Laugsch, geboren 1955 in München, hat eine Ausbildung zur Diplombibliothekarin und studierte Philosophie, Theaterwissenschaften und Neuere Deutsche Literatur. Sie promovierte 1995 zur Dr.phil. Nebenbei managt sie unter anderem Rockbands, hält (literatur)wissenschaftliche Vorträge und stellt – last but definitely not least – wunderschöne Quilts her. Sie schreibt seit Anfang ihrer 30er Jahre konsequent und veröffentlicht ebenso – in Anthologien und Einzelveröffentlichungen. Dies ist ihr zweiter Erzählband.

Setzen Sie sich also in Ihren Lieblingssessel, schenken Sie sich ein Glas Rotwein ein, verwöhnen Sie ein wenig Ihre Katze (so Sie eine haben) und tauchen Sie danach in Helga Laugschs melancholiegetränkte Welt bitterer Wahrheiten ein, „… tief in der Nacht, da, wo sie in den Morgen kippt, könnte an einer fernen Stelle über dem Atlantik etwas entstehen, das Wind bringt und Kühle, den Rauchgeschmack des Winters, einen eingerahmten Augenblick, einen Moment in Bernstein“.


Von weit her – Die Erzählungen von Helga Laugsch unternehmen Reisen zu Menschen
Von Stefan Boes
(in: Kulturland 1/08)

Die Schriftstellerin Helga Laugsch kann ein farbenfrohes Leben ihr eigen nennen. Sie war bereits Lektorin, Postlerin und Köchin, ist Doktor der Philosophie und Quilterin, außerdem vor etwas mehr als fünfzig Jahren in München geboren und seither „dort geblieben“, wie sie über sich selbst schreibt.

Doch in ihren Erzählungen ist sie nicht ortsgebunden. Da tritt Laugsch Reisen zu Menschen an, zu Gefährten, Müttern, Kindern, Frauen. Es sind Rückbesinnungen, immer klärend, nicht verklärend, teils melancholisch wie jene über die Erstkommunion, teils sozialkritisch wie jene über die „Gipfelstürmerin“.

Helga Laugsch nähert sich ihren Protagonisten über die Sprache. In Worten malt die Autorin Bilder, die atmen, klingen, nach etwas schmecken. Wenn eine Figur der Autorin in „Von weit her“ – der titelgebenden Erzählung – die Wohnung der verstorbenen Mutter betritt, dann riecht diese nach „Verzicht und Arbeit“. Im Dorf einer Schulfreundin auf dem Land sieht es „selbstverständlich und ganz“ aus, „voller Milch und Getreide, voller fester und ewiger Standpunkte“. Ein Buch voller Kraft, im eher Stillen.


„Nachtgeschichten“

„Fool if you think it’s over. Alles schon mal ausprobiert, älter geworden, klüger geworden, verletzlich geblieben, immer noch voller Sehnsucht – aber stets bei klarem Verstand, wenn sich ein neuer Lover zeigt, der viel verspricht und wenig halten wird. So sind die starken Frauen, von denen Helga Laugsch in ihren Nachtgeschichten (Edition Aramo) erzählt ... Aufreißtouren durch die große Stadt, Fach-Kongresse, Frauenpower, Schmink-, Duft- und Kleiderfragen, Beziehungstratsch und gängige Diskurse, mal schön ironisch, mal durchaus ernst. Herzschmerz, Suizidgedanken, heißes Begehren, kleine Feste, schlaflose Nächte mit oder ohne Bettgenossen und gelegentlich eine Autofahrt mit Freundin über den Mittleren Ring ...“
(INMünchen, 18/2001)

„... bietet die Edition Aramo nun auch die Nachtgeschichten der Münchnerin Helga Laugsch. Geschichten, die von Frauen handeln, die die Nacht zum Tag machen, weil die Tage ihnen schon zu schmerzhaft sind. Enttäuschte, verletzte Frauen, die es noch einmal wissen wollen und immer wieder das Gleiche erfahren und doch nicht aufgeben. Laugsch erzählt trocken und ohne Sentimentalität...“
(Ditta Rudle in: Buchkultur 74, Wien, August 2001)

„... Dabei erzählt sie in wunderbarer Weise mit poetischer Kraft, ohne daß die Leuchtkraft ihres Ausdrucks verschwimmt ...“
(WIR Mitarbeitermagazin, 3/01)

„Die wartende, sehnsüchtige Frau und die verschmähte, enttäuschte Liebe sind häufige Motive von Laugsch. Sie beschreibt Frauenschicksale (...) auf hohem Niveau: Ihre Sprache ist voll poetischer, fesselnder Bilder, die viel Raum für Interpretationen lassen und oft freut man sich einzelner wunderschöner Worte ...“
(Münchner Merkur, Germering 27.4.2001)


Helga Laugsch: Nachtgeschichten

(Edition Aramo)
Nachwort von Sylvia Treudl

Die Nacht ist ihr ein selbstverständliches Revier, sie scheint ihr zu passen wie ein Handschuh – oder besser: wie ein Samtumhang in tiefem Blau, in der Farbe der Mitternacht. Diejenigen, mit denen sie auf ihre Streifzüge pirscht, könnten Katzen sein. Aber das wäre zu einfach. Denn genau so gründlich, wie sie bei ihrer Schreibarbeit ist, ist sie auch beim Ausloten dessen, was diese langen kurzen, diese schrecklich schönen, diese euphorisch gefährlichen Nächte für eine wie sie hinter dem Theatervorhang von Mond und Sternen bereit halten. Die Protagonistinnen von Helga Laugsch sind starke Frauen, die in langen, zähen Runden ihre Erfahrungen gemacht haben, und die deshalb um ihre Verletzbarkeit, ihre Zerbrechlichkeit wissen. Die sich aber mehr als bloße Überlebensstrategien zurechtgelegt haben – sie haben sich eine schimmernde Rüstung aus Weisheit, die aus Einsicht und Klarheit gespeist wird, zugelegt. Was sie aber nicht davor schützt, immer wieder von der Sehnsucht angesengt, vom Schmerz angefallen zu werden. Es sind Frauen, die in der ersten Welle, die sie in Sturm und Drang geworfen hat, nichts ausgelassen haben, die hungrig und getrieben hinter der Liebe her waren, um dann der Schwerpunkt der Begierde zu verlagern, weil dort, wo sie sich das Festmahl des Lebens erwarteten, meist nur emotionale Geizkrägen mit trockenen Käserinden hämisch an der Tafel hockten und ihren Narzißmus feierten. Das Innehalten, die Kurskorrektur implizierte kurzfristig den fatalen Irrtum, daß weitere Irrtümer ausgeschlossen wären: Fool if you think it’s over ...

Aber die Frauen bei Laugsch sind zu klug, um nicht zu wissen, daß die Enttäuschung und der neuerliche Jammer in der Gegend der inneren Herzkammer mit hoher Wahrscheinlichkeit verläßlicher sein werden als der neue Lover. Geschliffener Intellekt und trockener Humor sind für sie aber breitbandtaugliche Mittel gegen anfallsartig auftretende Herzrhythmusstörungen.

Helga Laugsch ist eine wunderbare Erzählerin, die ihre Sätze mit poetischer Kraft aquarelliert, ohne daß die Leuchtkraft des Ausdrucks verschwimmt.
Vom Schatz- oder Horrorkästchen der Nachtstunden umrahmt, fügen sich die jeweils geschlossenen Erzählungen nahtlos aneinander wie Sternbilder.

Egal ob sie reflektieren, leiden, lauthals lachen, sich mit verlorenen Seelen in dunklen Gassen herumtreiben oder sich hellsichtig und unbemerkt in neue Abenteuer stürzen – die Protagonistinnen sind (selbst)bewußte Frauen, die ziemlich ungeschminkt auch über ihr Selbstzerstörungspotential Bescheid wissen.

Mit den „Nachtgeschichten“ liegt ein bemerkenswerter Band vor – ein eindringlicher Beweis für eine Prosa ohne Pathos, aber satt gefüllt mit Liebe, Trauer, Zugeneigtheit und Freundschaft.


Copyright Helga Laugsch 2018button impressumbutton datenschutz